12 Mrz „Weltfrauen willkommen“ Liegnitz Walk #04 zum Weltfrauentag im Liegnitzquartier
Unter dem Motto „Frauen Leben Kämpfe. Heraus zum internationalen Frauentag. Liegnitz Walk #04“ nahmen am Sonntag, 8. März 2020 circa 40 Frauen zwischen an einem Spaziergang durch Gröpelingen teil. In Redebeiträgen und Darbietungen wurden an fünf Stationen Aspekte zur Gleichstellung von Frauen in Gesellschaft und Stadtteil thematisiert.
Zwischen Feiertag und Kampftag
Den Auftakt gab es passenderweise vor dem gut besuchten Blumenladen an der Gröpelinger Heerstraße. Für die Teilnehmerinnnen des Liegnitz Walks gibt es Glückwünsche und rote Nelken. Dazu eine historische Einführung. Anders als in Westdeutschland war der 1911 von Clara Zetkin ins Leben gerufene internationale Frauentag in ehemals sozialistischen Ländern wie Bulgarien ein Feiertag. Frauen wurden als Heldinnen der Produktion mit Blumen geehrt, berichtet Antonia Bontscheva-Sodemann, Germanistin und Journalistin aus Bulgarien: „Heute ist der Frauentag eine Mischung aus Politik, Party, Valentinstag und Muttertag geworden“. Frauen werden als Freundinnen oder Mütter beschenkt. Abends finden Restaurantbesuche und Tanzveranstaltungen statt – auch in Gröpelingen.
„Als wenn wir aus dem Zoo kamen…“
Der nächste Stopp ist am Werftarbeiter-Denkmal „Zur Schicht“, ein für Gröpelingen wichtiger Bezugspunkt. Christiane Gartner von Kultur Vor Ort lässt die Geschichte der AG-Weser aus frauenpolitischer Sicht Revue passieren. Schiffsbau galt als reine Männerdomäne. Während des Zweiten Weltkriegs wurden auf der Werft jedoch auch Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa eingesetzt. Um dem Arbeitskräftemangel Ende der 1950er Jahre entgegenzusteuern, besann sich die Werftleitung auf die „weibliche Reserve“ und bildete etwa 100 Frauen zu Schweißerinnen aus– auch gegen den Widerstand männlicher Kollegen. „Als wenn wir aus dem Zoo kamen, alle haben geguckt,“ erinnert sich eine Zeitzeugin. Die wenigsten blieben. Von 6 000 Beschäftigten Ende 1960 waren nur 350 Frauen. Sie arbeiteten meist als Reinigungskräfte oder in der Verwaltung. Und dann kamen auch schon ausländische Arbeitskräfte, sogenannte „Gastarbeiter“ aus Süditalien, Andalusien und später auch der Türkei.
Schnelle Mode im Waschcenter
Im Waschcenter auf der Lindenhofstraße herrscht am Sonntag Hochbetrieb. Es wird Kleidung sortiert, gewartet und telefoniert. Valesca Fix von EUROPA ZENTRAL zeigt inmitten von Waschtrommeln und Trocknern in einer improvisierten Filmstation einen Beitrag über „Fast Fashion“ (Wegwerfkleidung) oder wie wenig nachhaltig die Textilindustrie produziert.
Aurelia Maria Foti, Leitung der Nähwerkstatt und Absolventin der Hochschule für Künste, berichtet über die Nähwerkstatt im Liegnitzquartier, meint aber: „Upcycling ist auch keine Lösung!“. Es muss weniger und anders produziert werden. Zum Frauentag hat die Nähwerkstatt farbenfrohe Menstruationsbinden aus Baumwolle kreiert. Über weibliche Sexualität und Menstruation öffentlich zu sprechen ist auch ein Teil von Emanzipation.
Regenbogenfarben und weitere Walks
Im Mädchen*zentrum in der Schweidnitzer Straße wird die Gruppe schon erwartet. Natalie, Lena, Kimberly, Luana und Sharin von der Musikgruppe singen ein eigenes Arrangement des Songs „Regenbogenfarben“ von Kerstin Ott. Für viele Frauen eine sehr berührende Begegnung an einem bisher für sie unentdeckten Frauenort in Gröpelingen. Das Angebot der Einrichtung (Freizeit, Bildung und Beratung) richtet sich an Mädchen ab 12 Jahren und junge Frauen im Stadtteil.
Letzte Station des Liegnitz Walks #04 ist das MOSAIK am Liegnitzplatz. Bei Kaffee, grünem Tee und Spezialitäten wie bulgarischen Pitka (Hefeweißbrot) nutzen Frauen die Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen. Handybilder werden herumgezeigt, Nummern getauscht. Langsam löst sich die Runde auf. Einige wollen heute noch feiern gehen.
Bei den regelmäßig stattfindenden thematisch gebundenen Stadtteilspaziergängen können Interessierte sich untereinander und das Quartier kennenlernen. Miteinander statt übereinander zu reden. Im Vordergrund steht der meist mehrsprachige Austausch der Teilnehmenden.