Inmitten des Stadtteils Gröpelingen liegt rund um einen attraktiven städtischen Platz das Liegnitz-Quartier. Wie in einem Brennglas verdichten sich hier die Konflikte, aber auch die Möglichkeiten einer durch internationale und europäische Migration geprägten Stadtgesellschaft: Vermüllung des öffentlichen Raumes findet sich direkt neben einer intensiven und kommunikativen Nutzung durch Familien. Prekäre Beschäftigungen, Erwerbslosigkeit und Drogenhandel treffen in engster Nachbarschaft auf solidarische Gemeinschaften, engagierte Familien und kleine Initiativen zur Verbesserung des Quartiers.
Das Modellprojekt „EUROPA ZENTRAL – Leben im Liegnitzquartier“ setzt genau hier an. Dafür ist es Kultur Vor Ort e.V. gelungen, als eines von bundesweit zwölf Vorhaben im Programm „UTOPOLIS – Soziokultur im Quartier“ eine Förderung für vier Jahre zu akquirieren.
Das Projekt will neue Wege erproben, um jenseits „ethnischer“ Zuschreibungen und Selbstdefinitionen den Fokus der Bewohnerschaft auf den gemeinsamen Lebensraum des Quartiers zu richten und eigenverantwortliche Strukturen zu ermutigen. Künstlerische Werkstätten sollen die vorhandenen Fertigkeiten, Kompetenzen und Begabungen der Bewohner*innen sichtbar machen und Selbstorganisation stärken. Die entstehende Kunst wird zum Mittel der Selbstrepräsentation. Die Produktionen der Projekte werden auf dem jährlich stattfindenden Mikrofestival auf dem Liegnitzplatz präsentiert.
Der Titel verweist übrigens auf die Netzwerke der Bewohnerschaft, die weit über Stadtteil und Deutschland hinaus reichen. Vor allem Zuwanderer*innen aus Südosteuropa pflegen enge Austauschstrukturen zu Familienteilen in den Herkunftsorten wie auch anderen Orten innerhalb Europas – und mittendrin befindet sich der Gröpelinger Liegnitzplatz.
Das Bundesprogramm „UTOPOLIS – Soziokultur im Quartier“ wird als ressortübergreifende Strategie im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt“ von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur für Medien (BKM) sowie dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) ermöglicht. In vierjährigen Entwicklungsprozessen erproben bundesweit soziokulturelle Zentren unter der Fragestellung, wie Kunst und Kultur für das Zusammenleben der Gesellschaft in den Stadtteilen genutzt werden kann, neue kreative Beteiligungsformate.
Ein Fokus liegt auf der Ermittlung geeigneter künstlerischer Methoden, um eine vielfältige Nachbarschaft zu erreichen und gerade auch Bewohner*innen, die zuvor nur wenige Berührungspunkte mit Kunst und Kultur hatten, zur aktiven Mitgestaltung ihres Wohn- und Lebensumfeldes anzuregen. Dabei spielt die Vernetzung mit Initiativen und Institutionen vor Ort eine große Rolle – mit dem Quartiersmanagement ebenso wie mit sozialen Vereinen, kommunaler Verwaltung oder auch Wirtschaftsunternehmen. Begleitet wird das Programm von der Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren e.V., welche den Modellvorhaben fachlich und administrativ zur Seite steht. Alle Ergebnisse und Erfahrungen werden gebündelt über die Website utopolis.online als Toolbox zur Verfügung gestellt. Nachmachen ist ausdrücklich erwünscht!