16 Dez LIEGNITZWALK #09-NEUE MOBILITÄT FÜR GRÖPELINGEN und temporäre Spielstraße zum Weltkindertag
Zugeparkte Gehwege, Raser auf der Lindenhofstraße, defekte Fahrradwege, kein Durchkommen für Kinderwagen: Gröpelingen braucht neue Mobilitätsideen, um den öffentlichen Raum im Stadtteil für alle zu verbessern. Der Liegnitzwalk #09 beschäftigte sich mit solchen Lösungsansätzen und führte durch ein Quartier, in dem offensichtlich PKW das Sagen haben.
Der Rundgang startete bei „Zweirrad Lindenhof“, dem hoch frequentierten Fahrradladen auf der Lindenhofstraße. Oliver Stuckmann, der Eigentümer des Ladens, bietet in Kooperation mit dem Gröpelinger Marketing einen besonderen Service: Gröpelinger:innen können sich kostenlos ein hochmodernes Lastenrad ausleihen, um umweltschonend kleinere Transporte oder Erledigungen zu machen. Auf diese Weise kann man leicht erproben, ob ein Lastenbike auch dauerhaft ein hilfreiches Fahrzeug sein könnte. MOQO heißt die App, mit der man das Lastenrad reservieren kann.
Dass das Lastenrad einen Ausweg aus der innerstädtischen Verkehrskrise sein kann, zeigen Forschungen: Rund 30% aller Warentransporte in der Stadt könnten mit einem Lastenrad erledigt werden. Bei privaten Einkäufen wären es sogar 80%. Für Stadtbewohner:innen könnte das Lastenrad den privaten PKW ersetzen. Wenn man dann ab und zu einen PKW benötigt, kann man leicht an nahegelegenen Cambio-Stationen (Ortstraße, Königsbergerstraße, Stubbenerstraße, Straßenbahndepot) einen PKW leihen. Das ist auch deshalb sinnvoll, weil ein PKW den größten Teil seines Daseins eh geparkt im Stadtraum herumsteht.
Es spricht also alles für die vermehrte Nutzung von Lastenrädern. Doch die Realität sieht anders aus: Nur die Hälfte der Deutschen kennen Lastenräder und nur 2% nutzen Lastenräder regelmäßig. Dabei machen es andere Städte wie beispielsweise Groningen oder Amsterdam vor, wie es gelingt, den PKW Verkehr einzudämmen und den öffentlichen Raum wieder lebenswert zu machen. In Amsterdam gibt es mehr Fahrräder als Bewohner:innen und das Lastenrad gehört in jede Familie. Mit ihm werden Kinder zur Kita gebracht und die Einkäufe für die Familie gemacht. Auch immer mehr Handwerker kommen mit dem Lastenrad.
Allerdings müsste für eine solche massenhafte Nutzung mehr Abstellfläche für Fahrräder und Lastenräder geschaffen werden. Dies geht nur, wenn sukzessive den PKW bedeutend weniger Flächen zur Verfügung stehen würde. In Amsterdam ist dieser Traum Realität: In den innerstädtischen Wohngebieten sind PKW die Ausnahme. In Gröpelingen sieht das anders aus: PKW und LKW beherrschen das Straßenbild und nehmen sich den Platz, Rad- und Gehwege sind zugeparkt oder in nicht befahrbaren Zustand, Fahrradabstellplätze kaum vorhanden, Parkplätze für Lastenräder: Fehlanzeige.
Lastenräder sind allerdings nicht nur attraktiv für Erledigungen innerhalb des Stadtteils, damit lässt sich auch schnell ein Trip in die Innenstadt oder nach Vegesack machen. Allerdings wären hier Radschnellwege oder Pendlerradrouten von Vorteil. Was in anderen Stadtteilen bereits umgesetzt wird, fehlt in Gröpelingen. Mit Hilfe solcher gut ausgebauten Pendlerrouten könnte man das Einpendeln von Zehntausenden PKW täglich vermindern und damit die Lärm- und Feinstaubbelastung in Oslebshausen und Gröpelingen reduzieren. Denn 80% der Arbeitnehmer:innen pendeln weniger als 25km bis zum Arbeitsplatz, eine ideale E-Bike-Entfernung.
Die Kosten solcher fast kreuzungs- und ampelfreien Routen sind wesentlich geringer als der PKW-Straßenbau: Ein Kilometer Premium-Radroute kosten ca. 260.000 Euro, ein Kilometer Autobahn kostet 100 Millionen Euro.
Der PKW-Verkehr im Quartier wirft aber noch weitere Probleme auf, wie die Diskussion mit Anwohner:innen ergab: Die Anlieferungen am Lindenhofcenter und das Parken in zweiter Reihe führen ständig zu Staus und Behinderungen verbunden mit Lärm und Abgasen. Wenn dann am Abend einmal freie Fahrt ist, dann kommen die Raser, die das Tempo-30-Limit vollständig ignorieren.
Eine Lösung für die überforderte Lindenhofstraße wäre möglicherweise ein Einbahnstraßensystem. Lieferverkehr würde nicht mehr stören und die Verkehrslast könnte halbiert werden.
Für den sensiblen Übergang über die Lindenhofstraße am Werftarbeiterdenkmal hat der Bauausschuss des Beirates Gröpelingen unterdessen eine Vorfahrtsregelung für Fußgänger und Radfahrer befordert.
Zum Schluss des Rundgangs machte der Liegnitzwalk einen Abstecher zum Liegnitzplatz, wo Kultur Vor Ort die Idee von jungen Leuten umgesetzt hatte: Die Kinder hatten eine Spielstraße gefordert und Kultur Vor Ort hatte an diesem Tag eine Spielstraße auf Zeit umgesetzt. Es wurde getanzt, geskatet, Ball gespielt und die Straße bemalt. Ein fröhliches Fest der Wiederaneignung des Öffentlichen Raums. Nach diesem Probelauf wird nun geprüft, ob es eine regelmäßige temporäre Spielstraße geben könnte, zum Beispiel jede Woche am Freitag.
Die Spielstraße zum Weltkindertag wurde gefördert durch die Gemeinschaftsaktion „Spielräume schaffen“ – ein Projekt des Deutschen Kinderhilfswerks und der Bremer Jugendsenatorin.